Für den Erfolg des Produkts zählen in der Gestaltung von (Fern)-Reisen die verschiedensten Dinge: ein gutes Programm, die richtige Länge, ein angemessener Preis uvm. Dass letztlich das Gelingen der Reise und das Erlebnis der Gäste/Reisenden aber hauptsächlich vom Reiseleiter abhängt, war lange nicht im Fokus der Reiseveranstalter. Ein Reiseverlauf kann auf dem Papier perfekt wirken und geplant sein, wenn der Reiseleiter aber keine Erfahrungen in der Führung von Gruppen anderer Kulturkreise hat, keine interkulturellen Schulungen durchlaufen hat und keine Chance hat, sich auf den Hintergrund und die Erwartungen der Reisenden einzustellen, dann sind die Chancen der Begegnungen auf Augenhöhe, des beidseitigen Lernens und des interkulturellen Austauschs, die das Reisen bietet, schnell vertan.
Dr. Gökhan Tuncer hat, gemeinsam mit dem Arbeitskreis Tourismus und Entwicklung, mittlerweile in rund 60 Reiseleiter-Trainings in Entwicklungsländern weltweit Guides darauf vorbereitet für (deutsche) Touristen nicht nur Navigator im fremden Land, sondern auch Psychologe, Vermittler und Entertainer mit kultureller Kompetenz und Hintergrundwissen zu sein. Wichtigstes Learning dabei: Die Selbst-Wahrnehmung der Guides ist meist eine und dieselbe, sie sehen sich als Botschafter ihres Landes. Doch was macht ein Botschafter? Nur über die schönen Seiten sprechen und diese Stolz zeigen; die Schattenseiten, kritische Themen und ähnliches werden lieber gekonnt umgangen. Doch genau das ist es, was viele (deutsche) Reisende wollen; sie wollen das echte Land kennen lernen, über Politik sprechen, etwas über die Rolle der Frau wissen etc. Da die Reiseleiter-Ausbildungen aber vielerorts eine rein frontale Ausbildung ist, in der praktische Erfahrungen viel zu kurz kommen, sind die Guides auf Situationen, in denen es zu solchen Themen kommt, meist nicht vorbereitet und wissen diese nicht zu handlen.
Die Trainings des Arbeitskreises/Dr. Tuncers zielen daher darauf ab, die Guides zu Brückenbauern zu machen, sie fit zu machen um zu erklären, zu verbinden, Verständnis herzustellen und vor allem: Lerneffekte während der Reise zu erzielen. Auf beiden Seiten.
In den letzten Jahren ist auch das Thema Nachhaltigkeit in den Trainings immer wichtiger geworden. Denn: Viele europäische Reiseveranstalter bewerben ihren nachhaltigen Ansatz, das papierlose Büro oder stromsparendes Arbeiten. Wenn die Gäste dann am Reiseziel ankommen herrscht Unverständnis z.B. bei ständig laufendem Motor des Reisebusses. In den bereisten Ländern herrscht in diesem Thema oftmals hingegen der Gedanke vor, dass ein durchgehend klimatisierter Bus den Reisenden wichtig ist. Dass die Reisenden die sich bewusst für einen nachhaltig agierenden Veranstalter entschieden haben, einen viel größeren Wert auf einen schonenden Umgang mit Ressourcen legen, muss hier erst vermittelt werden. Auch ganz generell etwas zu dem Thema erzählen zu können, müssen viele Guides erst erlernen.
Somit sind intensive Qualifizierungen, die über die Produktschulung des Veranstalters weit hinaus gehen, für Reiseleiter in den Entwicklungsländern überaus wichtig. Hier spielen die Veranstalter selbst eine große Rolle, da viele noch weitaus mehr Bewusstsein dafür entwickeln und Initiative in diese Richtung zeigen sollten, um die Qualifizierung der Guides und somit nicht nur eine nachhaltige und gelungene Reise, sondern vor allem einen Brückenschlag zwischen den Kulturen zu ermöglichen.